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Letzter Wunsch
Gabriel Salzinger versucht den letzten Willen seines verstorbenen Vaters zu erfüllen: ein Grab auf dem jüdischen Friedhof der deutschen Kleinstadt Gigricht, neben seiner Frau. Doch das Begräbnis wird unterbrochen: eine Mitarbeiterin der Israelitischen Kultusgemeinde hat herausgefunden, dass Gabriels Vater nach orthodox jüdischem Verständnis kein Jude gewesen ist - die Großmutter mütterlicherseits war Christin - und demnach auf dem jüdischen Friedhof nicht begraben werden darf ...
Klappentext
Sichtlich angetan ist Paul Jandl von dem neuen Roman Vladimir Vertlibs, denn er sei "große Erzählung und politischer Essay" zugleich. Aus der Perspektive eines Sohnes wird die Geschichte seines schwermütigen Vaters erzählt, der 1939 mit seiner zum Judentum übergetretenen Mutter vor den Nazis flieht, 1949 nach Deutschland zurÜckkehrt und ein unauffälliges Leben führt. Sein letzter Wunsch, im Grab seiner Mutter auf einem jüdischen Friedhof beerdigt zu werden, wird ihm nicht erfüllt, wie der Rezensent berichtet: Die jüdische Gemeinde lässt beim Begräbnis den Sarg wieder aus der Grube heben, weil der Vater nicht nach ihren strengen Geboten gelebt habe. Vertlib hat einen "wichtigen" Roman geschrieben, der mit einem "Kunstgriff" das Problem der jüdischen Identität von der Dominanz des Holocausts löst, ohne diesen zur bloßen Episode zu degradieren, lobt Jandl und beschreibt die Lebensgeschichten im Roman als "Orte einer alltäglichen Uneindeutigkeit", wie sich auch das Leben des Vaters jeglicher Definition entziehe: "Im Niemandsland des Übergangs leben Vertlibs Figuren in einem traurigen Glück", schreibt Jandl und zitiert aus dem Roman: "Der christliche Europäer würde nicht existieren, gäbe es den Juden nicht, und der Jude wäre kein Jude ohne den Goi. Ich selbst trage beide in mir, den Juden und den Goi. Wie in einem Labyrinth bin ich zwischen den Spiegeln gefangen. Egal in welche Richtung ich mich wende, stoße ich gegen Glas."
Rezension - Neue Zürcher Zeitung vom 13.01.2004
Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur
Ausgezeichnet mit dem Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2001 und dem Anton-Wildgans-Preis 2001!
Pressestimmen
»Den Vergleich mit Joseph Roth oder Isaac Singer braucht Vladimir Vertlib nicht zu scheuen.«
Alexander Kissler, Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Über neunzig Jahre alt ist Rosa Masur, als sie für ein Jubiläumsbuch, das anlässlich der 750-Jahr-Feier der deutschen Stadt Gigricht erscheint, aus ihrem Leben erzählen soll. Erst wenige Monate zuvor ist sie mit Sohn Kostik und Schwiegertochter Frieda aus Russland ausgewandert; da kommt das Honorar für die Mitarbeit an dem Buch gerade recht.
Und Rosa erinnert sich: an Schmuggler, Menschenfresser und Hexen, Antisemiten und Bürokraten, an den jüdischen Flüchtling Gebels, der 1941 für einen Verwandten von Reichspropagandaminister Goebbels gehalten wird, an den fehlenden Buchstaben in einer Hausübung, der ihren Sohn ins Gefängnis bringt, und an Stalin, mit dem sie eine ganz besondere Geschichte verbindet. Ein Städtl im polnisch-russischen Grenzgebiet, in dem die kleine Rosa aufwächst, die Pogrome während des Bürgerkriegs, die Stadt Leningrad in der »Aufbauphase« des Kommunismus, der polnische Terror der dreißiger Jahre, die Leningrader Blockade im Zweiten Weltkrieg und Stalins Judenverfolgung bilden den Hintergrund für dieses russisch-jüdische Frauenschicksal.
Und immer wieder verwischen sich die Grenzen der Erinnerung, begleitet von den Schilderungen des oft absurden Immigrantenalltags im Deutschland der Gegenwart.
Zwischenstationen
Russland, Wien, Israel, Holland, Italien und Amerika sind Schauplätze von skurrilen Episoden einer jüdischen Familiensaga.
Eine Urne in einer Plastiktüte fällt während einer Straßenbahnfahrt in St. Petersburg zu Boden, ein jüdisches Kind bekommt ein Zigarettenetui mit einer Landkarte des Großdeutschen Reiches als Geschenk, ein altes russisches Ehepaar schleppt ein Bett vom Sperrmüll durch die Straßen von New York.
Vladimir Vertlib erzählt Geschichten, die oft grotesk anmuten, von den Irrwegen einer jüdisch-russischen Familie auf dem Weg in die erhoffte Freiheit. Die Stationen der Reise sind Wien, Israel, Holland, Italien, Amerika und schließlich wieder Wien, wo die Familie, einem Bumerang gleich, immer wieder landet. Authentisch und exemplarisch dokumentiert Vladimir Vertlibs Buch Vergangenheit und Gegenwart jüdischer Geschichte, erzÄhlt oft erschreckend traurig, oft absurd witzig vom Überlebenskampf einer Familie.